201102.11
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Ist Ihre Firma in der Krise, Vorsicht vor dubiosen Sanierern…..

Ist ihre Firma in der Krise, eigentlich ein Fall für die Insolvenzordnung?

Dann nur größte Vorsicht vor dubiosen Sanierern oder Firmenaufkäufern !

Wer kennt den nicht, den Alptraum eines jeden Unternehmers, die drohende Insolvenz, früher Konkurs genannt. Da fallen ganz überraschend Forderungen aus, es brechen die Aufträge weg, der Steuerberater erzählt etwas von drohender Überschuldung, die Liquidität ist dauernd am Ende, weil die Banken keinen weiteren Kredit mehr gewähren, kurzum, der Unternehmer weiß nicht mehr weiter.

Da entdeckt er in der Zeitung vielversprechende Angebote mit dem Inhalt: „Wir kaufen und sanieren ihre Firma, auch bei drohender Krise,!“ Die angegebene Telefonnummer gehört dann meistens zu einem Handy oder es wird nur eine Chiffrenummer genannt. Weil der Unternehmer Angst davor hat, seinen Namen und seinen guten Ruf durch einen Konkurs zu beschädigen, wird er Kontakt aufnehmen und in Verhandlungen mit den Firmenaufkäufern treten. Was er nicht weiß, er gerät damit fast immer an eine bestimmte Art von „Sanierer“ die dann mit dubiosen Methoden und krimineller Energie das konkursreife Unternehmen aussaugen. Diese Art von Konkurskriminalität hat in den alten Bundesländern schon eine lange unrühmliche Tradition. Nach der Wende in den neuen Ländern haben diese Verbrechen eine ungeahnte Hochkonjunktur erlebt, es ist zu befürchten daß in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten diese Konjunktur weiter schäumen wird. Es gibt für diese Gangster eine ganze Reihe von verschiedensten Bezeichnungen: Firmenaufkäufer, Firmenbestatter, Ferkelstecher, Sterbehelfer, Leichenfledderer, Plattmacher und andere. Diese Bezeichnungen deuten an, worum es den Tätern überhaupt geht. Während diesen kriminellen Aufkäufern in den westlichen Bundesländern bis zu 100 Verfahren wegen Unternehmensaufkäufen zur Last gelegt werden, geht man bei den in den neuen Bundesländern tätigen Tätergruppen mittlerweile von mehreren hundert „aufgekauften“ Firmen aus. Der Grund für die größere Anzahl in den neuen Bundesländern mag in der erhöhten Konkursanfälligkeit aufgrund der Eigenkapitalsituation, der strukturellen Gegebenheiten und der konjunkturellen Situation liegen. Ein Kernproblem derartiger „Aufkäufer-Verfahren“ ist, daß die Täter konsequent gegen die Rechtsordnung verstoßen und geschickt die Langsamkeit der Bürokratie sowie Zuständigkeitsprobleme in den Bereichen Zivil- und Handelsrecht, Verwaltungsrecht und Strafverfolgung nutzen.

Den sogenannten Veräußerern (Altgeschäftsführern) sind die zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen (Konkursverschleppung, Bankrottdelikte und Untreue) ihres Handelns vielfach nicht bewußt. Sie antworten auf verlockende Anzeigen zum Unternehmensverkauf, um mit dem nächsten unbelasteten Unternehmen erfolgreich am Markt zu agieren. Spätestens aber nach der Information der Gläubiger über den Verkauf der Firma und deren fruchtlosem Versuchen, die neuen Geschäftsführer zu erreichen, werden einzelne Geschädigte Strafanzeige erstatten und damit die Strafverfolgung der Altgeschäftsführer in Gang setzen.

Die Vermittlung der Firmen erfolgt über lokale Vermittlerfirmen. Die verkaufswilligen Firmeninhaber reagieren auf Anzeigen in Zeitungen mit den Titeln „Tausche verschuldete GmbH gegen neue unverschuldete GmbH“, „Vor dem Konkurs! Übernehme ihre GmbH mit allen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen“; „Unternehmer kauft jede vom Konkurs bedrohte GmbH und KG bei voller Schuldensübernahme und Entlastung der Geschäftsleitung“, und ähnliche Anzeigen. Die gelegentliche angeführten Firmenbezeichnungen lauten „Wirtschaftsberatung“, „Wirtschaftshilfe“ usw. Nach der telefonischen Kontaktaufnahme erhält der Verkaufswillige einen Fragebogen, in dem detaillierte Fragen zu dem Unternehmen gestellt werden. Danach stellt der Vermittler Kontakt mit den eigentlichen Firmenaufkäufern her. Sehr schnell kommt das erste Treffen zustande. Hier wird den Verkaufswilligen eröffnet, daß für die Entlastung als Geschäftsführer eine Übernahmegebühr oder Entsorgungsentgelt entrichtet werden muß. Dieser Preis richtet sich nach den Verbindlichkeiten des Unternehmens. Ist der Verkäufer nicht in der Lage, den Verkaufspreis in bar zu entrichten, wird ein notarielles Schuldanerkenntnis gefertigt, das eine schnelle Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Verkäufers ermöglicht.

Amtsgerichte, Polizei und Staatsanwaltschaften oder Wirtschaftsverbände und Handelskammern können mittlerweile an charakteristischen Merkmalen erkennen, ob es sich um ein Aufkäufer-Verfahren handelt. Bei den amtsbekannten neuen Übernehmern handelt es sich z. B. um Arbeitslose, denen für die Übernahme pro GmbH ein zusätzliches Einkommen von 500,00 DM versprochen und gezahlt wurde. Teilweise übernehmen sie 20 Firmen pro Woche als Gesellschafter/Geschäftsführer. Nach der Übertragung der Geschäftsanteile wird beim Notar eine Gesellschafterversammlung einberufen, in der sich der nunmehr alleinige Gesellschafter zum Geschäftsführer bestellt. Sowohl über die Privatanschrift des Geschäftsführers als auch über den künftigen Sitz des Unternehmens werden gegenüber dem Handelsregister bewußt falsche Angaben gemacht. Das führt dazu, daß sowohl gewöhnliche Postsendungen als auch gerichtliche Titel nicht zugestellt werden können. Nachdem zunächst die Firmen durch natürliche Personen direkt übernommen worden sind, treten nunmehr GmbH als Aufkäufer auf. Die gesellschaftsrechtlichen Einzelheiten dieser juristischen Personen sind unklar. Zumeist handelt es sich um veräußerte Unternehmen, die zum Zwecke der Aufkäufer instrumentalisiert werden. Der Geschäftsführer der GmbH kauft im Namen der GmbH die Geschäftsanteile an der zu veräußernden Firma und bestellt einen weiteren Mitarbeiter der Aufkäufer zum Geschäftsführer. Die Vorgänge werden weder buchhalterisch noch bilanziell bei der Aufkäufer GmbH sowie bei der verkauften GmbH erfaßt. Ein weiteres Anzeichen, daß es sich um Firmenübernehmung handelt, ist, wenn notarielle Verträge von bestimmten Notaren beurkundet worden sind. Die Zusammenarbeit zwischen Aufkäufer und Notaren läuft in der Regel seit einigen Jahren. Die Notare machen auf Zuruf der Aufkäufer entsprechende Termine. Die Aufkäufer haben vorgefertigte Notarverträge in ihren Computern und füllen diese nach den Informationen der Verkäufer aus. Ist der zeitliche Druck hoch , werden diese vorgefertigten Verträge dem Notar zugefaxt. Da die Firmen zum Teil wie am Fließband übertragen werden, bleibt es nicht aus, daß dem Notar Fehler unterlaufen, die ihm bei ordnungsgemäßer Ausübung seiner Berufspraxis nicht unterlaufen wären. Dem Berufsgrundgesetz der Überparteilichkeit fühlen sich diese Notare nicht verpflichtet. Ihrer Auskunfts- und Beratungspflicht kommen sie in den bisher bekannt gewordenen Fällen nicht nach, so daß eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen Aufkäufern und Notaren anzunehmen ist. Nach der notariellen Beurkundung der Abtretung der Gesellschaftsanteile und der Übergabe des „Entsorgungsgeldes“ wird eine schuldrechtliche Vereinbarung geschlossen. In den ersten notariellen Verträgen ist die Rede davon, daß die schuldrechtliche Vereinbarung mündlich geschlossen wurde. In diesen Fällen würde eine relativ einfache Vereinbarung im Umfang von drei bis vier Seiten genutzt, die einer ausgefeilten Version im Umfang von ca. 20 Seiten weicht, in deren Anhang relevante Strafvorschriften detailliert aufgelistet werden. Mittlerweile hat die schuldrechtliche Vereinbarung einen solchen Umfang, daß die Altgeschäftsführer, selbst wenn die rechtlich dazu in der Lage wären, weder den Inhalt würdigen noch die Konsequenzen im einzelnen nachvollziehen können. Hervorzuheben ist die Besonderheit einer Verschwiegenheitsklausel, in der sich die Vertragsbeteiligten zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichten, insbesondere gegenüber den Strafverfolgungsbehörden. Die schuldrechtliche Vereinbarung enthält detailliert, welche Unterlagen und Anlagengegenstände zu übergeben sind. Am Anlagevermögen haben die Erwerber allerdings meist kein Interesse, so daß dem Altgeschäftsführer „treuhänderisch“ das Anlagevermögen überlassen wird. Weiterhin wird festgehalten, daß die Firma zum Zwecke der Sanierung bzw. Liquidierung übergeben wird.

Verschiedene Aspekte sprechen gegen eine mögliche Sanierung des Unternehmens:

– das gesamte Betriebsvermögen verbleibt beim alten Geschäftsführer,

– alle Arbeitnehmer werden entlassen,

– wichtige Unterlagen verbleiben beim alten Geschäftsführer,

– dem neuen Geschäftsführer mangelt es an Kompetenz,

– die Anzahl der vom neuen Geschäftsführer übernommenen Firmen aus unterschiedlichsten Branchen.

Neben der schriftlichen Vereinbarung wird mündlich eine zusätzliche Vereinbarung über ein Entsorgungsentgelt geschlossen. Es orientiert sich an der Höhe der Verbindlichkeiten, die sich aus dem zunächst übersandten Fragebogen ergeben. Der Betrag beträgt 10% der Verbindlichkeiten, mindestens aber 15.000,00 DM, den der alte Geschäftsführer an den Übernehmer zum Schutze seines guten Namens zu zahlen hat. Erst danach erfolgt die Übertragung des Firmenmantels. Sehr schnell informiert nun der alte Geschäftsführer seine Gläubiger über den Verkauf an den Unternehmer. Als neue Adresse des Unternehmens wird ein Briefkasten angegeben. Da sich die Gläubiger nun zunächst an diese Adresse wenden, gehen ihre Mahnaktivitäten ins Leere.

Die neuen Geschäftsführer beantragen häufig die Sitzverlegung des Unternehmens. Diese Sitzverlegung hat zunächst auch den Hintergrund, daß u. a. von Gläubigern gestellte Gesamtvollstreckungsanträge wegen Nichtzuständigkeit kostenpflichtig vom Gericht abgewiesen werden. Daß die Sitzverlegung nur ein Scheinmanöver ist, zeigt sich daran, daß in vielen bekanntgewordenen Verfahren eine Sitzverlegung an der Nichtzahlung der Gerichtsgebühren scheiterte. Die Unterlagen der übernommenen Firmen werden durch die neuen Geschäftsführer übernommen und unsortiert in zentralen Lagern abgekippt. Für den Altgeschäftsführer gibt es keine Möglichkeit mehr, Zugriff auf die Unterlagen zu nehmen. Das kann insbesondere im Besteuerungsverfahren von Bedeutung sein, wenn die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden müssen. Bei der Unmenge von Unterlagen, die sich durch diese Praxis ansammeln, muß das Lager auch gelegentlich geräumt werden. Dies geschieht, indem eine Aktenvernichtungsfirma beauftragt wird, welche die angesammelten Akten entsorgt.

Um die Konkursantragspflichten der neuen Geschäftsführer künstlich zu verlängern, erfolgt eine weitere Übertragung der Geschäftsanteile oder zumindest die Berufung eines weiteren Geschäftsführers. Dies hat den Hintergrund, daß jedem Geschäftsführer erneut eine Drei-Wochen-Frist zur Beantragung des Konkurses eingeräumt werden soll. Zum überwiegenden Teil werden Konkursanträge auch durch die Aufkäufer gestellt. Es werden Verzeichnisse geführt, wann und wo bei welchem Gericht Konkurs zu beantragen ist. Dabei scheuen die Täter auch nicht davor, eine erhebliche Vordatierung der Konkursanträge vorzunehmen. So ist mehrfach festgestellt worden, daß der Antrag z. B. das Datum „Mai 1997“ trägt, während der Eingangsstempel des Gerichts das Datum „Oktober 1997“ aufweist. Vielfach sind die gestellten Anträge nicht wirksam und die GmbH besteht formal weiter.

Für den Fall, daß eine Firma an einen Firmenaufkäufer veräußert wurde, liegt regelmäßig der Anfangsverdacht der Konkursverschleppung vor. Das ergibt sich allein daraus, daß die Verkäufer (Altgeschäftsführer) auf die Anzeige „…GmbH in der Krise“ antworten, was diese auch einräumen. Die Altgeschäftsführer bleiben zivilrechtlich für einige Verbindlichkeiten des Unternehmens haftbar. Dies sind insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge und die Umsatzsteuer. Viele Altgeschäftsführer fühlen sich durch die Aufkäufer betrogen, weil die Versprechungen, nach dem Verkauf ein sorgenfreies Leben führen zu können, nicht eintreffen. Darüber hinaus ist die Vorschrift des § 64 GmbHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB, da die Verletzung der Konkursantragspflicht Schadenersatzansprüche von Gläubigern begründet.

Relativ früh kam die Idee auf, „schuldfreie“ Firmenmäntel weiter zu veräußern. Hier bietet sich dubiosen Geschäftemachern die Möglichkeit, eine GmbH ohne Einlage von Stammkapital zu erwerben. Das funktioniert insbesondere dann, wenn die veräußerte Firma für ihre Gläubiger durch mehrmalige Namens- und Sitzänderung unerreichbar ist. In westdeutschen Verfahren wurden die „recycelten“ Firmenmäntel dazu genutzt, um Stoßbetrügereien in Verbindung mit Vorsteuerbetrug in großem Stil zu begehen. Als Besonderheiten im Angebot der Aufkäufer wurden insbesondere GmbH mit Adelstitel und mit vom Notar testierten Eröffungsbilanzen genannt. Soweit die Firmen noch Forderungen oder andere werthaltige Wirtschaftsgüter haben, finden sich immer Personen aus dem Umfeld der Erwerbergruppe, die diese Firma vollständig ausschlachten.

Als Ergebnis läßt sich zusammenfassen: Rechtsanwälte und Steuerberater werden leider im Rahmen dieses Verfahrens von den „Verkäufern“ häufig nicht oder zu spät um Rat gefragt. Da sich allen Beteuerungen der Aufkäufer zum Trotz der Altgeschäftsführer seiner straf- und zivilrechtlichen Haftung nicht entziehen kann, ist durch den Steuerberater oder den Rechtsanwalt bei gewissenhafter Mandatsausübung und bei Erkennen der vorstehenden Alarmsignale nur ein Rat zu geben: Von dem Verkauf eines Unternehmens an sog. Aufkäufer, der die Zahlung einer mindestens fünfstelligen Entsorgungsprämie einschließt, ist eindringlich abzuraten.

Sollten Sie jedoch eine Veräußerung ihres Unternehmens planen, sichern Sie sich unbedingt die Mitarbeit und den fachlichen Rat eines Steuerberaters oder Rechtsanwaltes.

Heinz Höller

Steuerberater